Die Geburt einer Idee
Im Frühjahr 2018, als es noch nicht einmal einen aktiven Heimatverein in Gebstedt gab, standen der Ortschaftsbürgermeister Gerd Brückner und der spätere Vorsitzende des Heimatvereins im denkmalgechützten Backhaus und beratschlagten, was sie aus der eigentlich schönen Immobilie machen können. Das Problem war, der Backofen war vor mehr als 50 Jahren eingestürzt, weil zu heftiges Heizen zum Schmelzen der Schamotteziegeln feführt hatte, was das Gewölbe zum Einsturz brachte, da es keine Statik mehr hatte. Bis zu Ende der DDR-Zeit wurde es noch als Wohnung genutzt, was mit der Wende auch wegfiel, da es qualitativ einfach nicht mehr zumutbar war. Seitdem steht es leer und ungenutzt.
Zum Glück hat der ehemalige Bürgermeister Manfred Osius das Backhaus nebst anderen Gebäuden der damaligen Gemeinde Gebstedt von der Bauhülle Anfang der Neunziger überholen lassen. So sah es zumindest von außen chic aus und war vor allen Wettern geschützt.
So schauten sich die beiden oben genannten tief in die Augen und waren sich einig, wenn der Ofen wieder betreibbar wäre, würde sich der Rest bestimmt auch finden lassen. Um das und etliche andere Projekte anpacken zu können, wurde im Herbst 2018 der Heimatverein Gebstedt wieder vitalisiert und somit nahm das Projekt langsam Fahrt auf.
Projektstart
Nachdem der Heimatverein wieder arbeitsfähig war, war auch ein Träger da, der mit Einwilligung und Unterstützung der Landgemeinde Stadt Bad Sulza die Initiative des Projektes übernahm. Da das Backhaus sowie der historische Backofen denkmalgeschützt sind, stand die Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde sowie der Verwaltung von Bad Sulza als erste Etappe an.
Bevor wir aber denkmalschützerisch fachsimpeln konnten, musste klar sein, worüber wir konkret reden. Also haben wir den Fußboden der Knetstube, die sich über dem Ofen befindet, aufgenommen und den Ofen erst einmal freigelegt.
Am 03.07.2019 trafen sich dann vor Ort die Vertreter, der unteren Denkmalschutzbehörde, des Landesamtes für Denkmalschutz, der Bürgermeister der Landgemeinde und der Heimatverein. Es wurde ein gemeinsames Vorgehen vereinbart und eine Verteilung der Zuständigkeiten.
Bevor wir uns aber an dem Ofen zu schaffen machen konnten, mussten wir den bisherigen Schornstein abreißen, da er als Ersatz des ursprünglichen nicht nur wesentlich größer, sondern vor allem auf den Ofen gebaut wurde. Danach wurden die vier Züge zurück gebaut, die über den Ofen zum Fuchs hin liefen, sowie die Front mit den Gussteilen abgerissen. Zum Schluss haben wir das gesamte alte Gewölbe abgebaut bis nur noch der ehmalige Backboden und die Flanken des Ofens übrig waren.
Jetzt erst hat man sehen können, wie groß der alte Ofen eigentlich war. Der neue sollte nur ungefähr halb so groß werden, was aber auch noch gross genug ist.
Damit nicht genug, mussten noch ungefähr 30cm ausgehoben werden, bevor wir mit dem Wiederaufbau anfangen konnten. Der begann an der Frontmauer ganz unten, damit alles einen stabilen Stand bekommt.
Bei dem ganzen Ausschachten haben wir noch Spuren verschiedener anderer Öfen gefunden, weil unsere Vorfahren – genauso wie wir – nur das weg genommen haben, was weg musste. Dadurch ist heute noch zu sehen, dass der ursprüngliche Ofen vor dem 20. Jahrhundert oval war und mit schweren Bruchsteinen gemauert war. Leider sind keine Dokumente über die Geschichte und die Konstruktion des Backhauses erhalten geblieben. Durch die Pachtzahlungen und die Streitigkeiten darum ist aber der historische Backofen bis ins 16. Jahrhundert nachgewiesen. Vermutlich war es ursprünglich ein einzeln stehender Ofen mit Schleppdach gewesen, wie er in manchen Dörfern immer noch erhalten ist. Wahrscheinlich wurde irgendwann vor den Ofen ein einstöckiges Lehm-Haus für den Bäcker gesetzt, wie es heute noch steht. Zu Zeiten des Deutschen Kaiserreiches wurde dieses Haus aufgestockt und erweitert und erhielt seine heutige Kubatur. Der Ofen, den wir hier vorgefunden hatten wurde ungefähr zum Übergang des 19. zum 20. Jahrhundert gesetzt und nach dem II.WK nochmals überholt.
Bei den Bauarbeiten hatten wir gemerkt, dass das zusammengebrochene Gewölbe auf die Seitenwände (Bruchsteinmauer mit ca. 1,7m Lehm dahinter) einen so starken Druck in den letzten Jahrzehnten ausgeübt hat, dass diese sich nach außen gewölbt haben. Um das für die Zukunft zu verhindern hatten wir uns entschlossen, um den neuen Ofen eine Stahlbetonwanne zu setzen. So sind alle räumlchen Teile voneinander entkoppelt und gesichert.
Nachdem die Wanne aus Stahlbeton gesetzt und mit Isolier- und Schamotteziegeln ausgemeuert war, wurden die Widerlager für das Gewölbe gesetzt und wir bauten uns eine Lehre für das Gewölbe. Auf dieses Gestell wurden Hartfaserplatten befestigt und auf diese mauerten wir Reihe für Reihe die Gewölbesteine.
Als das Gewölbe fertig war, haben wir beide abschüssigen Flanken mit Lehm und den alten Schamottesteinen aufgemauert, da wir auf die Krone die beiden Züge setzen mussten, die die Rauchgase vom Ende des Ofens vor zum Fuchs befördern. Positiver Nebeneffekt ist, dass es eine verstärkte Fußbodenheizung für den Knetraum darstellt.
Eigentlich wollten wir die Gewölbelehre stehen lassen und sie beim Trockenbrennen „warm entsorgen“, aber wir haben uns im Bau für einen anderen Weg entschieden. Wir trennten die Querträger auf und konnten somit die Lehre in Einzelteilen aus dem Ofen holen. Dadurch war es möglich, dass in der Zeit, in der oben unser Lehmmauerwerk antrocknete der neue Ofen von Innen verfugt werden konnte. Speziellen Dank an Volker Schwendel, der diesen Job übernommen hat.
Endspurt
Noch im Dezember 2020 waren wir soweit, dass der neue Schornstein gesetzt werden konnte, der pünktlich am 18.12. 2020 aus dem Dach schaute.
Unser Ziel war es, bis Ende des Jahres 2020 mit dem Ofen so weit zu sein, dass er betriebsbereit ist. Dies hatte auch etwas mit den Fördermitteln zu tun, die wir für dieses Projekt bekommen haben. An dieser Stelle ganz großen Dank an die Landgemeinde Stadt Bad Sulza, die Thüringer Staatskanzlei sowie die Sparkassenstiftung Weimar / Weimarer-Land, die uns tatkräftig bei der finanziellen Strapaze geholfen haben. Mit über 40 T€ für Material und Fremdleistungen und über 1.000 selbst geleisteten Stunden des Heimatvereins hatten wir punktgenau unser Ziel erreicht. Vom 21. bis 24.12. 2020 wurde der Ofen ganz langsam hoch- und damit trocken geheizt. Als Stabilisierung und vor allem als „thermische Schwungmasse“ haben wir den gesamten Ofen und die Züge in ein Lehmmauerwerk mit den alten Schamotteziegeln gesetzt.
Durch das Trockenheizen ist der Backofen natürlich auch nach und nach auf Temperatur gekommen. Deswegen haben wir uns gesagt, dass es ja traurig wäre, die Wärme einfach so verpuffen zu lassen. Also haben wir zuerst mal zwei Brote reingeschoben, um zu sehen, wie es funktioniert und danach noch eine Pizza auf einem großen runden Bauernkuchenblech.
Bei der Gelegenheit möchte ich mich bei all denen aus Gebstedt, Neustedt und Schwabsdorf bedanken, die uns mit alten Backutensilien versorgt haben. Nachdem eine Gebstedterin von ihrem Dachboden das alte Kuchengestell, zwei Kuchendecken (runde große Kuchenbretter) und noch drei Kuchenbleche uns vererbt hatte und dies im Dorf bekannt wurde, kamen etliche mehr, die uns ihre Kuchendecken und Backbleche gegeben haben. Wir haben somit eine gute Grundausstattung von zwei Gestellen mit einer ganzen Menge dieser Kuchendecken und -bleche. D.h., wenn Corona endlich mal vorbei sein sollte, dann kann ein Sommerfest mit allem Drum und Dran kommen.
Eigentlich wäre jetzt die Zeit gekommen, um alle einzuladen die mitgeholfen haben. Aber durch die restriktiven Beschränkungen von Corona war daran nicht zu denken. Also haben wir die Idee entwickelt, einfach zu Backen und die Brote als Dankeschön zu verteilen. Vorsichtshalber haben wir das nicht angekündigt, denn wenn die Brote nichts geworden wären, hätten wir uns bis auf die Knochen blamiert. Aber das ist zum Glück nicht der Fall gewesen und so konnten wir 30 Brote an all unsere Helfer und Gönner verteilen, die sich riesig gefreut haben. Sogar die Thüringer Allgemeine hat darüber berichtet.
Das Back-Abenteuer
Damit war der erste Bann gebrochen und Anfang März hatten wir uns vorgenommen, das erste Mal zu probieren, wieviel Brote wir denn nun wirklich mit einem Schub gebacken bekommen. Dazu brauchten wir aber anderes Handwerkzeug. Handelsüblich in Fachgeschäften sind nur Back-Accesoires für eine Ofentiefe von einem reichlichen Meter. Unser Ofen ist aber einfach mal 3m tief, d.h. wir brauchten Werkzeug, was eine gesamte Länge von 3,5 bis 4m hat, um den Ofen zu reinigen und die Brote rein und wieder raus zu bekommen. Zum Glück hat sich auch hierfür Hilfe gefunden. Ludwig Ilm hat gemeinsam mit der Tischlerei Grosser aus Auerstedt hier einen tollen Broteinschießer gebaut und spendiert. Außerdem hat sich der Ortschaftsrat von Gebstedt bereit erklärt die Rechnung für die noch fehlenden 30 Gärkörbchen zu übernehmen und noch die Einnahmen aus dem Verkauf des Feuerholzes mit drauf zu legen.
Das hat gerreicht, damit gleich wieder ein Journalist der Apoldaer Allgemeine uns besuchte und sich vor Ort selbst ein Bild nebst einer Verkostung machte.
Mitte April 2021 war dann der nächste Backtag und es kamen so viele Bestellungen, dass es durch die corona-bedingten Beschränkungen grenzwertig wurde. Zum Glück hatten wir einen großzügigen Sponsor gefunden, der uns eine große sowie eine kleine Knetmaschine zukommen lies. Dadurch war es uns möglich an diesem Tag mit zwei Backgängen über 120 Brote für das Dorf zu backen. Natürlich hat die Thüringer Allgemeine auch darüber wieder berichtet.
Zum Tag des Offenen Denkmals im September 2021 haben wir dann endlich unser ewig verschobenes Backfest veranstaltet. Mit großer Freude haben wir nicht nur wieder verschiedenste Brotsorten gebacken, sondern auch Kuchen auf den großen runden Kuchenblechen aus Omas Zeiten. Dies hat riesigen Anklang gefunden, denn es waren an diesem Tag über 200 Gäste am Backhaus. Wir hatten extra die Straße davor gesperrt, weil wir dort ein Zelt mit Tischen und Bänken aufgebaut haben.
Nach diesem tollen Wochenende begannen erneut Bauarbeiten, weil wir uns an die Phase II unserer Pläne gemacht haben. Zuerst wurde hinter dem Backhaus eine Sammelgrube gesetzt, damit wir diesbezüglich ordentlich vorbereitet sind, denn zuvor hatte das Backhaus nur einen provisorischen Abfluss. In einem nächsten Schritt kamen zuerst die Bohrhämmer zum Abreißen und danach die Maurerkellen zum Wiederaufbau zum Einsatz. Ziel war es aus einem alten Dreckloch einen Raum mit WC, Waschbecken und Durchlauferhitzer zu machen. Also wurde nach dem Abriss einiger Mauerteile im Innenbereich der Boden ausgeschachtet, die Leitungen verlegt, ein neuer Boden mit Sperrung gefertigt und dann die ersten Flächen gefliest. Unser Sanitärinstallateur Jörg Kaiser hat parallel eine völlig neue Installation von Kalt-, Warm- und Abwasser für das neue WC, die danebenliegende Küche sowie den Knetraum, der sich über dem Ofen befindet, installiert.
Wir haben wiederum den Ofen von oben fertig verfüllt und denkmalsgerecht den alten Fußboden in den Knetraum gelegt. Als Luxus hat Werner noch eine tolle Scheuerleiste aus Holz ringsherum gesetzt. Inzwischen hatte Gerd den neuen Schornstein im Knetraum geputzt und das Podest über dem Fuchs fertig gestellt.
Uns war klar, dass wir im Knetraum eine Möglichkeit brauchten, um die ganzen Gärkörbe aufstellen zu können. Also haben sich Werner und Heinz daran gemacht, aus 7cm dicken und 4m langen Buchenbohlen Einzelteile für ein Gärregal zu schreinern. Nach drei Wochen angestrengter Arbeit waren die beiden froh, dass alle Maße auf den Millimeter gestimmt haben und die 6 Regalfächer gut gleitend aus- und einfahrbar waren.
Inzwischen hatte Sven als Multitalent das WC soweit fertig gefliest und alle Becken und Mischbatterien wurden angeschlossen. Ute hat mit ihrem künstlerischen Können die betongrauen Übergänge zwischen der alten Wandbemalung und den neu gesetzten Fliesenspiegel in der Küche so gut retuschiert, dass von den Bauarbeiten keine Spur mehr zu sehen war.
Auch Gerd hat im Februar und März 2022 noch einen Endspurt hingelegt, indem er die marode Holznische neben dem Backofen abgeschlagen und neu verputzt hat, sowie die ganzen Anschlussflächen um die Ofenfront ringsherum.
Somit waren wir Mitte März so weit, dass wir endlich wieder Backen konnten. Es war ein völlig neues Backgefühl mit soviel Komfort die Arbeit erledigen zu können. Entsprechend gut sind auch die Brote geworden, die bis Weimar, Apolda und Roldisleben im Burgenlandkreis gelaufen sind. Und wieder hat die Thüringer Allgemeine über diesen Tag sehr positiv berichtet.
2023 kam dann der gesamte Fußboden im Backraum dran. Eigentlich sollte nur der kleine Abschnitt vor dem Ofen gemacht werden, da dieser besonders kaputt war, aber es hieß immer wieder „wenn ihr was macht, dann macht es doch richtig!“. Also haben wir als Klügere 🙂 nachgegeben und nun wurde der gesamte alte Boden entfernt, das Lehmbett ausgeschachtet, eine Sperrung eingebracht und dadrüber feinen Schotter mit der Rüttelplatte aufgebracht. Dann noch eine dünne Schicht Blausplit und darauf wurden die Steine gesetzt. Zum Abschluss wurde der gesamte Boden verfugt und mehrfach versiegelt, damit wir ordentlich hier arbeiten können.
Bei der Gelegenheit wurde gleich die Tragekonstruktion des OG abgeändert, denn bisher stand genau vor dem Ofenloch der Trägerbalken. Immer wieder sind wir an dem Ding hängen geblieben, wenn wir die Brote eingeschossen oder rausgeholt haben – jetzt ist ordentlich Platz.
Zum Ende des Jahres wurde dann noch das Treppenhaus mit einem Lehmputz versehen und die Küche sowie die Mehlkammer haben jetzt eine ordentliche Tür bekommen.
Photos:
- Titelbild, Gebstedter Backhaus Mitte der 70er Jahre, Fotograf unbekannt
- alle anderen Photos sind eigene Aufnahmen des Heimatvereins