Die Gebstedter Kirche

Die Gebstedter Kirche St. Johannis ist ein Schichtmodell ihrer eigenen Geschichte sowie ihrer Vorgeschichte. Die Grundmauern des heutigen Glockenturmes sind mit Bestimmtheit die ältesten Zeitzeugen Gebstedts.

Nach Aufzeichnungen von Dr. R. A. Jung [1] in denen er sich auf die inzwischen verschollene Gebstedter Chronik beruft, ist der untere Teil des heutigen Glockenturmes ein ehemaliger Bergfried der sich hier befundenen Anlage der Oberburg. Er datiert die Bergfried in die Zeit zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert. Im 15. Jhd. wurde hier eine „richtige Kirche“ gebaut, die mindestens einmal (1644) abbrannte und im letzten Drittel des 18. Jhd. ihre heutige Form bekommen hat. Sie beherbergt eine Menge interessanter Details, die wir uns der Reihe nach ansehen. Den Blick ca. 1.000 Jahre in der Geschichte zurück finden Sie auf der Seite Gebstedter Burgen.

Wir gehen weiter durch die Geschichte, als Gebstedt zum Kloster Paulinzelle gehörte. Wie es dazu kam lesen Sie auf der Seite Mönchshof. Im 13. Jhd. war dieses Recht des Klosters abschließend geklärt. Unter der Kirche entstand der Mönchshof der Paulinzeller Mönche und die haben mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zumindest eine Kapelle errichtet, weil es für Mönche jeglicher Orden und Klöster existentiell war, einen Ort des Gebetes und der Einkehr zu haben. Das dürfte die Vorgeschichte unserer Kirche sein deren erste urkundliche Erwähnung auf 1199 zurück geht [2]. 1255 inkorperierte der Mainzer Erzbischhof die Pfarrei Gebstedt dem Kloster Paulinzelle. So entwickelte sich die ehemalige zerstörte Oberburg zum geistigen und wirtschaftlichen Zentrum des Dorfes. Nördlich zur Kirche reihte sich der Mönchshof und westlich daneben später mit der Reformation der Pfarrhof an. Westlich der Kirche gehörten zum ursprünglichen Komplex das ehemalige „Deutsche Haus“ (dies existiert heute nicht mehr) sowie westlich daneben das alte Fachwerkhaus.

Im 15. Jhd. wurde der alte Bergfried gesichert und mit einem Dach versehen. Wahrscheinlich war es einfaches Satteldach, wie zu der Zeit bei kleineren Kirchen üblich. An den Bergfried wurde zu dieser Zeit der erste Kirchenbau in Gebstedt gesetzt. Dieser war wahrscheinlich ca. halb so groß, wie das heutige Kirchenschiff. Klar erkennbar ist der Kalksteinsockel des östlichen Langhauses mit Apsis. Dieser Sockel dürfte alle Zerstörungen und Brände überstanden haben, da er massiv und nicht brennbar ist. Schauen wir zu den Fenstern, stellen wir heute fest, dass alle Fenstergesimse gleich sind. d.h. sie stammen nicht aus ursprünglicher Zeit.

In den ehemaligen Bergfried wurde im Mittelalter eine Nische mit Spitzbogenblende zur Aufnahme eines Heiligenbildes oder -figur eingebaut. Hier stand nach Norden gerichtet in der Regel eine Marienfigur oder ein Marienbild, zu der die Reisenden auf ihrem Weg beten konnten. Das wiederum führt zum Schluss, dass der Hauptweg vom Ködderitzscher Weg kommend, westlich an der Kirche vorbei führte um dann nach Osten abzubiegen um an der Ostseite des Kirchenturms zum Gebet zu verweilen zu können und dann wieder Richtung Bach nach unten ins Tal am Mönchshof vorbei führte. Außerdem wurden im 2. Obergeschoss aus den Schießscharten, die noch im ersten OG zu finden sind, Fenster mit Werkstein gesetzt. Wahrscheinlich ähnelte die Gebstedter Kirche aus dem Mittelalter der Kirche zum Heiligen Georg in Krawinkel bei Bad Bibra.

Außerdem wurde ein Eingang mit Spitzbogentür in das erste Obergeschoss des Turmes geschaffen, um zum Glockengeläut zu kommen. Ein sogenanntes Angstloch zum Untergeschoss ist nicht zu erkennen. Der Eingang in das Untergeschoss liegt nördlich zur Apsis im Kirchenschiff. Später hat der Turm ein Spitzdach bekommen, das mit dem der Rudersdorfer Kirche vergleichbar war [1].

Bei dem großen Brand 1644 fiel der Kirchturm sowie das gesamte Langschiff und die umliegenden Gebäude zum Opfer. Diese wurden im 18. Jhd. wieder neu erbaut, womit die Kirche im Großen und Ganzen ihr heutiges Aussehen bekommen hat. Das heißt, der Kirchturm, der durch den Brand bestimmt schwer beschädigt war, wurde überhalb des zweiten OG um ein weiteres Geschoss erweitert, in dem das neue Geläut seinen Platz fand. Die Fenster des 3. OG sind gotische Spitzbogenfenster, denen man jedoch den üblichen Mittelpfeiler vorenthielt. Bei genauerem Betrachten ist unten in der Mitte nur eine Bruchkante zu erkennen. Vielleicht stammen die Werksteine der Fenster aus einem anderen alten Gebäude, was abgebrochen wurde.

Bei diesem Um- und Wiederaufbau wurde das Kirchenschiff um ca. das Doppelte nach Westen erweitert. Warum nicht die Mauerlinie des alten Kirchenschiff weitergeführt wurde, sondern der neue Teil geringfügig größer gebaut wurde, ist nicht mehr nachvollziehbar. Jedenfalls sieht man noch heute den Sprung der Außenmauer nach Außen und auch der Dachfirst ist geringfügig XY höher oder anders geneigt. Der alte Westgiebel wurde vollständig entfernt wodurch das Langschiff wesentlich größer wurde. Der neue Haupteingang kam in den neuen Westgiebel.

Aber auch danach haben verschiedene Änderungen stattgefunden.

Der ursprüngliche Eingang der Kirche war vom Westen in das Langschiff. Das Portal ist bis heute erhalten, wenn auch nicht mehr genutzt. Durch den Einbau der heutigen Orgel wurde an diese Stelle eine Orgelempore gesetzt und der Eingang wurde nun in die Südwand des Langschiffes gesetzt. Dazu wurden die beiden Fenster, die sich über dem Eingang befinden, nach oben verkürzt. D.h. das Langschiff hatte ursprünglich nach Süden vier Langfenster.

In der Kirche befinden sich einige historische Kostbarkeiten. Hinter dem heutigen Altar ist in der Wand ein Epitaph eingelassen

, ebenso wie gotische Spitzbogenfenster, denen man aber den üblichen Mittelpfeiler vorenthielt.

Der Kirchturm hat zwei Zugänge. Der ältere ist der, der sich heute treppab aus dem Langschiff befindet. Er führt als einziger Zugang in das Untergeschoß des Turmes. Ein weiterer Zugang wurde später mit einer Spitzbogentür über eine heraufführende Treppe in das erste Geschoss des Turmes geschaffen. Von hier aus erschließt sich der Turm bis zur heutigen Turmspitze, eine turminnere Verbindung zum Untergeschoß gibt es jedoch nicht. Noch heute sind die mittelalterlichen Schießscharten in den meterdicken Wänden des ersten Geschosses vorhanden.

Quellen:

[1] Dr. med. R.-A. Jung, Gebstedt im Kreis Apolda, Manuskript, Eckartsberga, 15.01.1986

A. Berg, Ortsgeschichte von Gebstedt, Manuskript, Nachlaß Dr. A. Berg im Pfarrarchiv Niedertrebra (heute nicht mehr auffindbar)

L. Schubart, Chronik von Gebstedt, Manuskript im Pfarrarchiv Gebstedt (heute nicht mehr auffindbar)